>EINE AUSSTELLUNG DER LOCAL FIST ZUR ARBEIT ERNST OPELS IN HANNOVER<
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WANSE |
Kunstausstellungen enttäuschen oft, kulturhistorische Ausstellungen dagegen selten. Wer nicht an der Besichtigung modischer
Warensortimente interessiert ist, sondern tatsächlich an den Dingen der Kultur,
meidet Galerien und sucht ein Hygiene-Museum auf oder die völkerkundlichen
Sammlungen. Betrachtet man dort die Exponate so, wie man gewöhnlich Kunstwerke
betrachtet, nämlich als souveräne Artefakte, zeigen sie sich den Produkten der
Gegenwartskunst für gewöhnlich in jeder Hinsicht überlegen. Ein phantastisches Arsenal solcher Dinge, die fernab
jeder Künstlerei entstanden sind, hat nun Claus Bulcke für die LOCAL FIST in
einer kleinen Ausstellung für eine begrenzte Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
In einem leerstehenden expressionistischen Backsteinklotz etwas außerhalb von
Hannover sind bis zum 06. Oktober Objekte und Dokumente zur Arbeit Ernst Opels
zu sehen.
Opel, 1954 in Eindhoven geboren, widmet sich mit seinen Mitarbeitern seit Jahren der
„professionellen Ausübung systematischer Rache“. Das ist durchaus wörtlich zu
verstehen. Opel: „Erniedrigung des Einzelnen, Ungerechtigkeiten in jeder
Form, Übervorteilung, Diebstahl und Verleumdung sind innerhalb der totalen
Marktwirtschaft nicht Erscheinungen krimineller Randbereiche, sondern sie sind
die substantiellen Bestandteile dieses Systems. Sie sind die Regeln, nach
denen sich das Alltagsleben im Kapitalismus vollzieht. Wir tun nichts anderes, als
hierauf mit den geeigneten Mitteln zu reagieren. Die Verteidigung des
Individuums gegen die Gesellschaft ist für uns nicht Gegenstand soziologischer
Untersuchungen, sondern eine technische und organisatorische Frage.“
Ende 2010 wurden Opel und seine Mitarbeiter in die LOCAL
FIST aufgenommen, und so mag die Ausstellung auch mit dem Ziel zustande
gekommen sein, den Mitarbeitern der LOCAL FIST einen ersten Einblick in Opels
„Technik der Rache“ zu eröffnen.
Formal gesehen ist die Schau eine jener heimlichen Hinterzimmer- Ausstellungen, wie es sie etwa unter den Bedingungen kommunistischer Herrschaft gab,
eine typische SAMISDAT-Veranstaltung: Büromöbel wurden beiseite geräumt,
Küchentische oder aufgebockte Terrarien dienen hier als Vitrinen, Dokumente
wurden mit Stecknadel und Klebeband an der Wand befestigt. Ein Kleiderschrank
ohne Türen dient als Standvitrine, in der sich Bücher, Matrizen-Abzüge,
Photographien und Stadtpläne um eine Reise-Schreibmaschine herum stapeln.
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Blick in die Ausstellung |
Die Atmosphäre des Konspirativen steht in den beiden Ausstellungsräumen zum
Schneiden dick. Man könnte sich keinen passenderen Rahmen für eine Ausstellung zur "systematischen Rache" vorstellen. Denn
zweifellos spielen sich Opels Bemühungen in einer juristischen Grauzone ab: Er
unternimmt langfristige Observationen, stellt Dossiers zusammen, sammelt
private Daten, inszeniert fingierte Zufallsbekanntschaften, erkundet und
vermißt private Grundstücke. Über weitere Einzelheiten wollen wir besser
schweigen.
Dieser Teil seiner Arbeit ist in der Ausstellung ausführlich
dokumentiert. Eine albtraumhaft monotone Serie von 30 Photographien zeigt
jeweils den selben beleibten Herren beim Besteigen einer sportlichen Limousine.
Lediglich das eingestempelte Datum läßt erkennen, daß es sich um Belege einer monatelangen Observation handelt. Es gibt entsprechende Bilderserien auch
aus dem Inneren von Wohnungen und Büroräumen.
Man kann davon ausgehen, daß auch die Veranstalter der
rechtlich unsicheren Situation dadurch entsprechen wollten, daß sie die
Ausstellung nur einer begrenzten Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben.
Noch verständlicher wird diese Vorsicht beim Betrachten der
Exponate, die Opels eigentliche „Technik der Rache“ präsentieren. Opel und
seine Mitarbeiter gehen hier mit einem verstörend ausufernden
Erfindungsreichtum zu Werke. Nur auf den ersten Blick beschränkt sich ihre
Forschung dabei auf die Gebiete der Physik, Chemie oder der Pyrotechnik.
Je
tiefer man nämlich in den Opelschen Kosmos eindringt, desto deutlicher wird, in welchem
Maße hier die Psychologie der eigentliche Hintergrund aller Ermittlungen ist. Das
Gefühl kalter Beklemmung, das einen beim Betrachten der technischen Exponate
beschleicht, erweist sich als deren eigentliche Energieleistung. Man könnte
ganze Baureihen der Opelschen Apparaturen treffend als „Albtraum-Generatoren“
klassifizieren: Eine schwarze Scheibe aus Pressglas, an deren Unterseite ein
simpler Oszilator klebt, verrichtet ihre zermürbende Aufgabe heimlich vergraben unter einer
Gehweg-Platte. Oder ein Bündel elektrifizierter Aluminiumstreifen liegt
unsichtbar an der Unterkante eines ausgehöhlten Türblattes an, in dessen Füllung weitere, gegensätzlich
gepolte Kontakte versteckt wurden. Man kann sich die physikalischen Effekte
derartiger Vorrichtungen ausmalen und hätte damit ihre Wirkung doch nur teilweise erfaßt: Die verursachten Funktionsstörungen werden vermutlich geringer sein als der Schock, den ihre zufällige Entdeckung verursachen muß.
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Photographien von "Sonden" |
Es gibt Exponate, deren technische Funktion sich dem Laien
völlig verschließt. Hier scheint die Arbeit Opels in einen halb magischen
Bereich abzugleiten. So besteht die Baureihe der sogenannten „Sonden“, die in der Ausstellung eine lange
Vitrine füllen, aus grob zugeschnittenen, schichtweise übereinander vernähten
oder geleimten Folien banalster Herkunft (Wachstuch, Schuhsohlen,
Medikamentenpackungen, Bast). Eine schöne aber wenig erhellende Photographie
zeigt solche Gegenstände ausgestreut vor einem Garagentor.
Auf einem weiteren Photo stehen drei Mitarbeiter Opels nachts in
einem Hausgarten. Zwei von ihnen stecken in reichlich mißglückten
Tierkostümen (offenbar war eine Eule gemeint), während der dritte ein Kabel
oder eine Leine auszurollen scheint.
Die Arbeit Opels ist nicht gerade arm an Momenten, die man pathologisch nennen könnte. Der persönliche Eindruck zerstreut solche
Vermutungen aber ebenso gründlich wie Opels veröffentlichte Texte zur systematischen Rache. Man begegnet einem höflichen Menschen mit überaus klarem Verstand:
"Die vernünftigste und dem intakten Verstande am meisten entsprechende Reaktion auf die Bedingungen, unter denen wir unser Leben heute zu leben haben, ist abgrundtiefer, unversöhnlicher Hass auf jene, die solche Bedingungen zu verschulden haben oder von ihnen profitieren. Da wir die Bedingungen nicht ändern können, kommt es nun darauf an, diesen Hass produktiv werden zu lassen. Der nächstliegende Impuls ist Rache. Mehr vermag ich von hier aus nicht zu erkennen." (Ernst Opel, aus der Rede zur Eröffnung der Ausstellung)
Eine schöne- und vor dem Hintergrund der restlichen Schau
sehr tröstliche- Ergänzung bietet die Präsentation von Malerei aus der Sammlung
Opels. Es handelt sich vorwiegend um Laienarbeiten und ganz zweitrangige Bilder meist klassizistischer Stilrichtung. Gemeinsam ist allen Darstellungen, daß sie
lediglich den Himmel zeigen. Wo einmal mehr als das zu sehen war, hat Opel die Leinwände und Kartons eigenhändig zurecht geschnitten. Alle
Arbeiten sind kleinformatig, er führt sie auf seinen Reisen in einer Aktentasche
mit und ergänzt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch Flohmarktkäufe
oder "spontane Enteignungen".
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Die Sammlung Opel in der Ausstellung |
> Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Oktober in
der Zweigstelle der LOCAL FIST in Hannover Vinnhorst zu sehen. Mitgliedern der
LOCAL FIST und des Unterstützerkreises steht die Ausstellung täglich (außer So)
von 16- 22 Uhr offen. Alle übrigen Interessenten werden gebeten, sich mit der
LF-Z in Verbindung zu setzen (abt.zensur@local-fist.com)
> Weitere Informationen zu Ernst Opel finden Sie im Netz unter den "Sonderakten der LF-Z", dort unter "Sonstiges".
> Das Heft "Die systematische Anwendung der Rache als taktische Waffe im Kampf des Einzelnen gegen die Gesellschaft" von E. Opel können Sie über den Buchversand der LOCAL FIST bestellen. Anschrift siehe oben.